Auf der Jagd nach gelben Säcken

Die gelben Säcke sind also knapp. Im Blumenladen Altreetz sind sie vergriffen, im Amt Barnim Oderbruch auch. Wo immer ich im Oderbruch unterwegs bin, halte ich an und frage nach gelben Säcken, aber sie sind überall aus. Frau Oesterle erklärt mir, dass sie die Säcke bestellen muss, die anschließende Lieferung aber stets unsicher ist. Sie kann auch keine höheren Stückzahlen bestellen, im Gegenteil, in den neuen Kartons sind, seit die Säcke etwas reißfester geworden sind (immerhin), weniger Rollen zu finden.

Früher habe ich mir am Tresen der Landkreisverwaltung in Eberswalde, wo ich öfter vorbeikomme, gelbe Säcke aushändigen lassen. Das war nicht ganz korrekt, weil ich in einem anderen Landkreis wohne, aber es war hilfreich. Nun hat Eberswalde jedoch auf gelbe Tonnen umgestellt. Hier gibt es also keine gelben Säcke mehr.

Wenn ich mal einen Bäckereiwagen erwische und nach gelben Säcken frage, greifen die Verkäuferinnen halb widerwillig, halb verschwörerisch nach unten und reichen mir eine Rolle heraus. Darf ich zwei haben? frage ich. Manchmal habe ich mit dieser Bettelei Erfolg.

Ich meine ja, das hat sich alles schon länger abgezeichnet. Schon immer irritierte mich das Zuteilungsverfahren, man hatte stets das Gefühl, die Aushändigung gelber Säcke sei ein Privileg. Kein Wunder also, dass die Leute anfangen, sie zu horten; und schon sind sie knapp.

Ich vermute allerdings, dass es nicht nur am Verteilmechanismus liegt, es hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass die Verantwortung nicht gut geregelt ist. Denn wer ist eigentlich zuständig dafür, dass alle ihre gelben Säcke kriegen? Das ist gar nicht so leicht herauszufinden. Wenn eine Zuständigkeit unscharf geregelt ist, kommt es schnell zu Engpässen. Denn dann wird aus der Versorgung ein Jagen und Sammeln. Und wo gejagt und gesammelt wird, wird auch gehamstert.

Außerdem scheinen aber auch zu wenig Säcke hergestellt zu werden, es ist offenbar ein echter Mangel. Wahrscheinlich lässt sich kein Geld verdienen mit der Herstellung von gelben Säcken, oder sie wurden aus russischem Erdöl gemacht, das nun dem Embargo unterliegt. Ich weiß es nicht.

Apropos gelb, auch der Senf ist gerade knapp. Wir hatten neulich ein Grillfest und mussten mit altem Senf vom Vorjahr vorliebnehmen. Er schmeckte etwas abgestanden. Die Engpässe von Mehl, Öl und Klopapier waren auch denkwürdig.

Es ist zwar mühselig, wenn es an Dingen des täglichen Bedarfs fehlt, aber ein wenig fühle ich mich doch in meine Kindheit und Jugend versetzt, was mir ein warmes Gefühl verschafft. Es ist fast ein bisschen wie zu DDR-Zeiten. Da fehlte es auch an vielem, aber dafür hatte man kleine Erfolge, wenn sich etwas ergattern ließ. Damit konnte man tauschen und sich gegenseitig helfen. Und man konnte in der Gegend herumstehen und ein bisschen meckern. Das Leben war einfacher, wenn man auch nicht so große Sprünge machen konnte.

Vermutlich wird das Problem mit den gelben Säcken in absehbarer Zeit nicht gelöst, denn wir haben dringlichere Probleme, den kommenden Corona-Herbst etwa oder den Klimawandel. Obwohl ich meine, dass es durchaus klug wäre, den Leuten die Kreislaufwirtschaft, die ja wichtig fürs Klima ist, nicht durch den Mangel an gelben Säcken zu verleiden. Aber Klugheit ist gegenwärtig kein politisches Qualitätsziel.

Kenneth Anders
k.anders@oderbruchpavillon.de

studierte Kulturwissenschaften, Soziologie und Philosophie in Leipzig und Berlin und fand den Einstieg in die Landschaftsthematik durch die Gestaltung einer Ausstellung über die Entstehung der Naturschutzeule in Bad Freienwalde am Haus der Naturpflege. 2004 gründete er mit Lars Fischer das Büro für Landschaftskommunikation. Kenneth Anders ist außerdem als Autor und Sprecher tätig.