25 Juni Stare in Not
Vor 18 Jahren kaufte ich Haus und Grundstück. Der vormalige Besitzer wies mich auf zwei Kirschbäume hin. „Der da ist hoch und alt, da kommt man nicht zum Zug. Der ist für die Stare. Aber bei diesen hier können sie gut ernten.“
So war es auch. Wir überließen einen großen Teil der Kirschen des alten Baums am Rande des Gartens den Vögeln, den anderen, nahe am Haus, konnten wir dagegen abernten. Es gibt noch Fotos von Gartenfesten, auf denen man sieht, wie die Kinder in den Zweigen sitzen und sich den Bauch mit prallen roten Kirschen vollstopfen.
Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen gibt es so viele Stare bei uns, dass manchmal die ganze Wiese bedeckt ist, wenn sich ein Schwarm entscheidet, hier niederzugehen. Das sieht aus wie ein Bienenschwarm, wenn man ihn nach dem Einfangen in die Beute schlägt: eine zähflüssige langsam fließende Masse aus braunen Leibern. Auch in der Luft beeindrucken die Vögel durch ihre schiere Menge. Dann sitzen sie zu tausenden auf den Hochspannungsleitungen gucken herum.
So haben die Stare haben auch die Kirschen „unseres“ Baums entdeckt. Früher warteten sie, bis die Früchte reif waren. Da konnte man mit ihnen in einen Wettbewerb treten – wer sich die meisten Kirschen in kurzer Zeit einverleibte, hatte gewonnen. Inzwischen aber hacken die Vögel die Kirschen lange vor ihrer Reife vom Baum. In diesem Jahr habe ich trotz sehr guter und frostfreier Blüte im Frühjahr nicht eine einzige reife Kirsche von meinem Baum gegessen. An den Zweigen hängen nur noch nackte Kerne, der Rest liegt zerschreddert am Boden.
Wir haben einen Baum mit gelben Kirschen gepflanzt. Irgendwie haben die Stare Schwierigkeiten, diese zu erkennen. Mit etwas Glück könnten wir dermaleinst hier zum Zuge kommen. Aber sie könnten natürlich auch dazulernen.
Ich finde Stare eigentlich lustig. Sie pfeifen, blödeln und schwatzen ausgesprochen amüsant. Die Jungvögel haben ein sehr hübsches Perlkleid. Es ist nichts zu sagen gegen Stare, und ich werde nicht verhungern.
Aber unterdessen lese ich auf evangelisch.de: „In Deutschland gibt es immer weniger Stare.“ Und auf der Seite eines großen deutschen Naturschutzverbandes lese ich: „Immer häufiger ist der Star auf Nahrungssuche und auch geeignete Brutplätze schwinden. Erst kürzlich wurde der Vogel des Jahres in der Roten Liste auf „gefährdet“ hochgestuft“.
Also, da bekomme ich dann doch schlechte Laune.