Der Alte und sein Handwerk

Moderne Märchen 2

von Veit Templin

[Gerade habe ich ein krankes Schaf geschlachtet]

Es war einmal ein alter Mann, der lebte mit seiner Frau auf einem Einzelgehöft.

Er erinnert sich noch an seine Kindheit und Jugendzeit. Sein Vater war Handwerksmeister, und er begleitete seinen Buben, wenn er recht früh schon mit Hammer und Nägeln etwas entstehen ließ. Es kam der Tag, da legte der Vater die Hand auf die Schulter des Jungen und sagte zu ihm: Du hast wirklich Talent zum Handwerk. Als Beweis der Anerkennung bekommst du jetzt diesen Hammer.

Der Junge nahm den Hammer. Es war ein Polsterhammer, aber sowas von verschnörkelt und sauber gearbeitet! Der Junge versteckte den Hammer sofort, so stolz war er darauf.

Mein Junge, du musst Handwerker werden, denn Handwerk hat goldenen Boden! Der Bub wusste damit nichts anzufangen, er war noch zu klein.

Jahrzehnte später war aus dem Buben ein starker Mann geworden, der drei Meister gemacht hatte und noch mehr Gesellenbriefe. Er ging auf den Bau, wo er seine Stärke wirklich brauchte.

Wie viel Zeit, wie viele Prüfungen, wie viel Aufregung und Nerven musste er ertragen? Wie viel Geld musste er investieren?

Dann baute er sich einen Handwerksbetrieb auf, mit bis zu 14 Mann. Viel zu klein.

Diese Erfahrung musste er machen. Es ist nicht genug rumgekommen. Er hat den Laden dicht gemacht, und die Leute entlassen. Aber über 20 Jahre hatte er es schon versucht, mit seinem Betrieb.

Jetzt ist der alte Mann auf seinem Hof und hält diesen zur Selbsternährung.

Der Alte hat einen Sohn. Dieser Sohn hat Koch gelernt, arbeitet aber nun in den gleichen Gewerken, die auch der Alte betrieben hat.

Mit dem Markenzeichen „Made in Germany“ haben sich die Engländer einst ein Eigentor geschossen. Denn die Engländer kauften bald gezielt „Made in Germany“. „Made in Germany“, das war der Mittelstand, wo die Meister noch mit auf der Rüstung standen oder an der Drehbank, egal. Reinste Erfinder wurden daraus.

Da Deutschland jetzt als Vorbild die amerikanische Wirtschaft übernimmt, gibt es nur noch Bauservicetypen (Selbstausbeuter) und Giganten. Die Meisterpflicht wurde zum größten Teil abgeschafft. Es gibt keine Erfinder mehr. Ich fühle mich als Handwerker kastriert.

Veit Templin
Veit.Templin@t-online.de

wurde in Bad Freienwalde geboren und fand seinen beherzten Lebensradius schon als Kind zwischen Höhen und Bruch. Er erlernte das Malerhandwerk, wechselte später aber in die Hochbauberufe und verbrachte fünfzehn Jahre damit, sie sich anzueignen. Neben der Arbeit, deren Spuren man im ganzen Oderbruch findet, banden ihn auch die Musik, die Familie, die Fischerei und die Jagd an die Gegend. Also ist er geblieben. »Der Malerlehrling« ist sein erstes Buch, das in drei Teilen erscheint.